Roman Zech Gedanken auf Reisen.

파이팅 // fighting

Die Wochen verfliegen hier, obwohl die Vorlesungen zu kriechen scheinen. Ich passe mich langsam der vorherrschenden Kultur von Dem-Prof-zuhören-und-möglichst-wenig-durch-Fragen-auffallen an.
Die Mid-term-exams stehen bald (d.h. in etwa 3 Wochen) an, die Koreaner hyperventilieren bereits jetzt und lernen Nächte im Café oder der Unibib durch. Schlitzaugen mit dreimal so fetten Augenringen sind keine Seltenheit. Augentropfen in den umliegenden 양약방 (yangyagbang, Apotheken) äusserst begehrt.

Ein koreanisches Paar im Olympic Park, Seoul
lässt sich in typischer Fotopose von mir ablichten.

Und immer wieder fällt das Wort 파이팅 (paiting, fighting, kämpfen). Ein Konglischer (koreanisch-englischer) Schlachtruf, um sich gegenseitig zu ermuntern, weiter zu machen. Denn die gute Note hat hier einen extremen Stellenwert. Grundsätzlich wollen alle mind. eine A oder A+. Mit einer B lässt es sich leben und eine B- und alles darunter, ist etwa eine mentale F(ailure). ⇒ Amerikanische Notengebung
Wichtig dabei sind dabei die Stunden und der Umfang des Lehrbuches. Es scheint manchmal, als gebe auch die Erscheinung eine gute Note. Viele laufen mit dicken Büchern rum oder putzen im Klassenzimmer die Zähne. Möglicherweise, um ein gutes Ansehen zu waren. Oder jedem zu zeigen, dass er/sie richtig am 파이팅 ist. Wirklich zugegeben hat es aber noch niemand …

Treppenmythos auf dem Campus:
Gute Studenten sollen nur die linke Treppe nutzen …

Geschlafen wird aber gerne mal auf dem Uni-Klo. Das kann zur Mittagszeit recht mühsam sein, wenn auch ich mal muss. Einige Koreaner mussten meine Notdurft schon mit lautem Klopfen ihre Dössitzung beenden.

Dabei ist die Uni hier eher wie ein Gymnasium organisiert:
Vor der Stunde gibt’s einen Appell und damit Punkte fürs physische Anwesend sein. Eine Abmeldung an den Prof mit „Grippe“ gilt aber auch als anwesend.
Es gibt Punkte für die kooperative Mitarbeit. D.h. nicht gross auffallen, dann sind meist 10-20 % der Note im trockenen.
In der Mitte und am Ende des Semesters gibt es je eine Prüfung. Closed-book. D.h. auswendig lernen oder „Mut zur Lücke“. Koreaner machen ersteres, Austauschstudenten zweites.
Und gefragt wird, wenn überhaupt, erst nach der Lektion.

Wie vielleicht zwischen den Zeilen zu lesen ist, halte ich nicht wahnsinnig viel davon. Schlussendlich wollen die meisten jungen Koreaner einen Job. Das ist aber nicht einfach, in einem Land, wo 25 Firmen 80 % des GDP’s stemmen und wegen einiger Skandale mal mehr oder weniger erfolgreich sind.
Das Studium bereitet sie aber eher weniger darauf vor – zumindest in meinen Augen. Das passive Wiederkauen des Lerninhalt fördert nicht gerade die Eigeninitiative und das Selbstvertrauen. Bei Teamarbeiten wird dies immer schnell sichtbar. Der Project Manager und Head of Creative Thinking scheint mir hier auf die Stirn tätowiert …

Apropos Tattoo: Marketing ohne ethischen Grenzen.

Anyways, es hat sich ein gewisser Alltag eingestellt. Und immer mehr macht Seoul auf mich den Eindruck einer komischen amerikanischen Exklave, die 한글 (Hangul, koreanische Schrift), Konfuzius und einige Traditionen entwickelt haben. Das stimmt zwar nicht, zeigt aber den Spagat zwischen Tradition und westlicher 24hrs-Gesellschaft auf.

Meine Sprachen scheinen darunter etwas zu leiden. Zwar beherrsche ich Hangul und einige Bestell- und Vorstellungssätze auf Koreanisch. Ich nahm mir vor 3-5 nützliche Wörter am Tag zu lernen. Das klappt ganz gut. Heute sind bisher 파이팅 (paiting, fighting), 폰듀 (pon-dyu, Fondue) und 식품 (sagpum, Menu in der Kantine) dazugekommen.

Das tägliche Wirrwar aus Koreanisch, Englisch, Deutsch und Französisch macht aber müde. 8-10 Stunden Schlaf müssen da schon drinliegen. Da kommt Abwechslung am Wochenende immer gelegen …

Es folgen einige Bilder, von den letzten Ausflügen:

Mein liebster Jogging-Hügel bei Nacht:
Mit Blick auf Seongdong-Gu und Gangnam-Gu.
Die Seoul-City-Wall, der Smog und ich.
Begeisterung beim Fussball-Spiel vom FC Seoul.
Koreanischer Frauentalk im Olympic Park.
Exchange student-Wanderung auf den 한란산 (Hanran Berg, höchster Berg in Südkorea, 1950m ASL).
5 Stunden Aufstieg, 0°C und 10cm Schnee auf dem Gipfel, keine Bergbahn, aber eine junge Dame
mit Ballerinas und Miniröckchen.

über den Autor

kommentiere

von Roman Zech
Roman Zech Gedanken auf Reisen.

Roman Zech

Neueste Beiträge

Kategorien

Meta

Get in touch

Quickly communicate covalent niche markets for maintainable sources. Collaboratively harness resource sucking experiences whereas cost effective meta-services.