Roman Zech Gedanken auf Reisen.

Was von der Uni im Berufsleben bleibt

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Gehörst du zu den glücklichen Lesenden mit einem schönen Uni-Titel? Oder zumindest bist du auf dem Weg dahin und lässt dich hier vom eigentlichen Inhalt deines Studiums ablenken? Wenn das letztere der Fall ist, dann gibt es hier keine Credits (sorry!), dafür aber eine ketzerische Einschätzung, was das Studium wirklich bringt.
Nach drei Jahren als BSc-zertifiziertem Berufsleben ist es Zeit für einen Nachruf an die Fachhochschule und zu beurteilen, was bleibt und nützt oder was halt eben an der Realität vorbei ist.

Definition von „erfolgreich abgeschlossen“ und „guter Arbeit“
Das war am Anfang des Berufsleben der schwierigste Punkt für mich: Bisher bestand mein Tun darin, einen sachlichen Inhalt zu verstehen und ihn dann auf einen anderen anzuwenden. (Wohl eine umständliche Beschreibung für „Lernen“, „(Gruppen-)Arbeiten schreiben“.) Erfolg und gute Arbeit war dann das bestandene Modul am Ende des Semesters und gehörten zusammen. Simpel. War der Erfolg da, war auch die Arbeit gut.
Im Berufsleben ist das anders. Die beiden Punkte trennen sich. Wahrscheinlich aus zwei Gründen:

  1. Die Zeit ist nicht fix. D.h. es muss eher ein Ziel erreicht werden, anstatt die Zeit einzuhalten.
  2. Seine Arbeit gut zu machen, kann auch heissen, etwas bewusst nicht zu machen und gegen etwas sein. Auch davon profitiert die Firma.

Da die Zeit meist länger ist als an der Uni und Entscheidungsfreudigkeit nicht immer gewünscht, fand ich ein aufrichtiges, ehrliches Verhältnis zum Vorgesetzten enorm wichtig. Ich sage dir, was ich vorhabe und wir einigen uns auf einen Weg.

All die vielen Gruppenarbeiten der Uni sind leider nur eine ganz einfache Form von wie Zusammenarbeit geht. Und das Ziel ist im Berufsleben meist nicht „Ende Semester ein Stapel Papier“.

Bewusst etwas nicht machen
Da in der oben beschriebenen beschränkten Zeit im Semester meist nur an der Oberfläche eines Themas gekratzt werden kann, verleiten umfassende Arbeiten oft dazu viele Aspekte einzubinden statt einen tief zu verfolgen. Tiefe benötigt meist zu viel Zeit für den Kurs in einem Semester.
In der Firma ist es dann nicht mehr gefragt, möglichst viele Aspekte abzudecken, sondern 1 richtig gut zu machen und möglichst viel „wegzustrippen“, was man auch noch machen könnte.

In diese Falle bin ich knallhart im ersten Projekt gelandet, welches viele Aspekte aus Produkt, Prozess und Betrieb beinhalteten. Es hat viel Zeit und Aufwand gekostet erst im Laufe des Projekts das „Wichtige“ zu finden, statt es von Anfang an klar darauf zu beschränken. Einfache Dinge zu erreichen, ist in grossen Firmen manchmal eine Herkulesaufgabe an sich.

Leider schaffen es viele Aufgabenstellungen an der Uni nicht, sich genau darauf zu fokussieren. Mit Literaturrecherche und viel Text in einem Bericht sind Tiefgänge eher weniger gefragt. Denn sie bringen viel Aufwand = Überlegungen für wenig Ertrag = Text.

Eine positive Ausnahme wird mir noch lange in Erinnerung bleiben: Gruppenarbeit mit dem Ziel Optimierungsmassnahmen einer Strassenkreuzung auf 1 A4-Seite zu beschreiben. Interessanterweise war es auch eine Arbeit wo die Bandbreite der Noten extrem breit war. Wohl, weil es so einfach scheint, aber viel Brain-Power erfordert.

Credit-Hunting statt Lernen können
Was mich nun, je länger je mehr stört, ist dass ich trotz vieler Stunden relativ wenig „Werkzeuge“ gelernt habe. Werkzeuge sind Methoden, welche auf eine Problem oder eine Aufgabe angewandt werden können. Das könnte daran liegen, dass diese oft angeschaut wurden und dann als „ist ja klar“ abgetan wurden, anstelle sich 2-3 Beispiele anzuschauen, wo das zum Einsatz kommen könnte.

Der Hauptgrund ist aber wahrscheinlich die eigene Faulheit meinerseits als Student: Um die ECTS-Credits zu erhalten, war es oft erfolgreicher sich auf den Inhalt und das Produkt (meist viel Text) zu konzentrieren, anstatt die Methode sauber anzuwenden.

Software, welche niemand hat
MATLAB, AutoCAD, Illustrator, Python und R. Wir haben alle damit gearbeitet- während der Uni – um dann in der Firma festzustellen, dass Excel, PowerPoint und etwas an Portable Software ab dem USB-Stick genügen müssen, um seinen Job gut zu machen.

Hier werde ich den Eindruck nicht los, dass Software noch nicht wirklich als „Werkzeug“ angesehen wird in Unternehmen und die Unis und Fachhochschulen, eher am Geist der Zeit sind. Daher die zynische Frage: Warum darf die Software nicht 1000 CHF kosten, wenn ein Angestellter pro Jahr vielleicht 150’000-200’000 CHF cash-out bedeuten?

Zum Schluss noch zwei Punkte, welche echt gut gelungen sind:

Alles ein bisschen können und andere verstehen
Vom Controlling, über IT-Entwicklung, Juristen und sogar Ökobilanzierung. Ich hatte mit extrem vielen, verschiedenen Personen zu tun, welche ich dank der Kurse an der Uni etwas verstand und die Kommunikation vereinfachten.

Wer hätte in meinem Studiengang Verkehrssysteme schon gedacht, dass wir mal eine Wirtschaftslichkeitsrechnung und eine Ökobilanz benötigen?

Selbständigkeit
Das ist wohl das, worauf jeder Abgänger:innen etwas stolz sein kann. Es wird einem eine Autonomie gelehrt, welche unersetzlich ist. In Zeiten von „vieles gleichzeitig“, „agil“ und „Komplexität“ jemanden zu haben, welche:r sich den Weg selber sucht und ein Thema bearbeiten kann, ist unersetzlich – aber auch sehr fragil.

Diese Arbeitsweise muss vom Vorgesetzten unterstützt werden. Komplett ein Thema abzugeben und nur zu „coachen“ braucht Mut. Mehrfach habe ich schon erlebt, wie Abgänger:innen und ganze Abteilungen enttäuscht wurden, ihr Potenzial gar nie abrufen konnten, weil der Rahmen und die Erwartungen einer GenX-Style zentralisierten Entscheidungskörper und gelebtem Organigramm gleichkamen.

Fazit: War es das nun wert?
Ich erinnere mich an eine „Business Ethik“-Vorlesung in Südkorea, wo uns ein italienischer Professor versucht hat zu erklären, dass viele studieren, damit sie später gut verdienen. Das sei falsch. Man müsse nur studieren, wenn man später „viel Einfluss“ möchte, nicht „viel Geld“.
Übertragen heisst das, ein Studium soll auf „Einfluss haben“ vorbereiten. Das hat es ziemlich gut gemacht – zumindest auf den Einfluss den ein Absolvierender haben kann. Wenn der Beruf Einfluss verlangt und man ihn wahrnehmen will, ist eine Fachhochschule oder Uni das Richtige. Aber sicher nicht der allgemeine „Gold-Weg“ fürs Berufsleben.

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